Glockenausstellung im MUSE-O bis Ende März

veröffentlicht am 19. Januar 2015

Läuten weckt Heimatgefühle
Minutenlanges Vollgeläut auf beiden Ohren: Da klingt der Kopf! „Ich hör was läuten – Glockengeschichten aus dem Stuttgarter Osten“ heißt treffend die aktuelle Ausstellung im MUSE-O. Michael Kunert hat dafür mit dem Richtmikrofon das Geläute verschiedener Kirchen aufgezeichnet, einige historische Tonaufnahmen stellte der SWR zur Verfügung. Bei der Vernissage waren die Audioguides mit den Kopfhörern schwer gefragt.

Glocken-Ausstellung (Foto: M. Kunert)

Glocken-Ausstellung (Foto: M. Kunert)

Bekannt und doch unbekannt komme einem das Läuten vor, sagte Besucherin Suse Linse, über Kopfhörer klinge es doch ganz anders als draußen auf der Straße. „Und am liebsten hört man sich die Glocken an, zu denen man eine Beziehung hat“, meinte sie als unmittelbare Nachbarin der Friedenskirche.

Glocken-Ausstellung

Glocken-Ausstellung (Foro: M. Kunert)

Eigentlich lausche man den Glocken im Alltag nur selten bewusst, stellte auch Tatjana Strohmaier fest. Die neue Bezirksvorsteherin freute sich, dass ihre erste Ausstellungseröffnung im MUSE-O sich gerade um dieses Thema mit seinem starken Lokalbezug dreht.

Glocken-Ausstellung (Foto: M. Kunert)

Glocken-Ausstellung (Foto: M. Kunert)

Praktisch auf den letzten Drücker ist die Ausstellung mitsamt dem dazu erschienenen Begleitbuch fertig geworden. Der Vorsitzende des Museumsvereins, Peter Metzler, dankte allen Beteiligten, an vorderster Stelle Dr. Elmar Blessing, der die Ausstellung recherchiert hat. Dafür stieg er viele steile Kirchturmtreppen hoch und hat viele Geschichten gefunden. Zum Beispiel die, warum auf dem Turm der jungen Bruder-Klaus-Kirche eine Glocke mit der Jahreszahl 1962 hängt – obwohl zu diesem Zeitpunkt die Kirche noch gar nicht stand. Hier kommt die 1896 erbaute Nikolauskirche ins Spiel, die statt eines Turms zunächst nur mit einem Dachreiter für zwei Glocken versehen wurde. In beiden Kriegen mussten Glocken abgegeben werden; am Ende des Zweiten Weltkrieges war die Kirche insgesamt zerstört. 1952 wieder erbaut, bekam sie doch erst 1963 ihren ersten „richtigen“ Kirchturm, für den die Gemeinde schon vorab fünf Glocken bestellt hatte. Allerdings kam dann ein Statiker zu dem Schluss, dass der Turm nur drei davon tragen konnte. Die beiden überzähligen kamen landeten so im Turm der Kirche Bruder Klaus.

Dr. Elmar Blessing führte bei der Vernissage in die Ausstellung ein. Foto: aia

Dr. Elmar Blessing führte bei der Vernissage in die Ausstellung ein. Foto: aia

In der Nazizeit, erzählte Elmar Blessing, läuteten die Glocken anfangs auch, um die Siege der deutschen Armee zu verkünden. Während der Kriege blieb aber kaum eine Glocke vor dem Einschmelzen verschont, nach dem Zweiten Weltkrieg ersetzten oft sogenannte „Leihglocken“ aus den vormaligen Ostgebieten die Originale.
Aber auch ältere Geschichten erzählt die Ausstellung, zum Beispiel, dass die Bürger im Stadtteil Berg im 19. Jahrhundert immer wieder über die mangelnde Qualität und den Klang der Glocken klagten, bis der Turm 1854/55 mit einem harmonischeren Geläut ausgestattet wurde.
Eine Originalglocke wie ursprünglich geplant ist in der Ausstellung zwar nicht zu sehen – das Ab- und wieder Aufhängen hätte ungefähr den Preis „eines schönen Autos“ gekostet, berichtete Metzler. Aber kurzfristig, am Vorabend der Vernissage, hatte der Enkel des letzten Stuttgarter Glockengießers spontan eines seiner Glockenmodelle zur Verfügung gestellt. Hans-Peter Schazmann, der selbst als Kind noch mit dem Opa Hans Kurtz Glocken goss, brachte eine Miniatur der Glocke des Ulmer Münsters mit – das Gesellenstück seines Großvaters, von diesem mit 19 Jahren gefertigt.

Hans-Peter Schazmann stellte die Miniatur der Ulmer Münsterglocke zur Verfügung. Fotos: aia

Hans-Peter Schazmann stellte die Miniatur der Ulmer Münsterglocke zur Verfügung. Foto: aia

Das Begleitbuch zur Ausstellung hat 92 Seiten sowie 125 Abbildungen und kostet zehn Euro. Es ist in jeder Buchhandlung und im MUSE-O erhältlich.

„Ich hör was läuten – Glockengeschichten aus dem Stuttgarter Osten“. Eine MUSE-O-Ausstellung von Dr. Elmar Blessing.
MUSE-O, Gablenberger Hauptstraße 130, 70186 Stuttgart
Geöffnet bis Sonntag, 29. März, jeweils an Samstagen und Sonntagen von 14 bis 18 Uhr (mit weiterführenden Informationen).
Eintritt inkl. Audio-Guide: 2 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei.

Text: Karin Ait Atmane (aia)

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